Sachverhalt:

 

Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder: Warum müssen Kommunen und Schulverbände jetzt handeln?

 

Ausgangssituation: Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung

Seit 1996 gilt in Deutschland der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Er gilt für jedes Kind im Alter vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt. Seit dem 01.08.2013 haben Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr (ab 1. Geburtstag) bis zum Schuleintritt einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege.

 

Mit Verkündung des Ganztagsförderungsgesetzes am 11.10.2021 wurde die gesetzliche Grundlage, der § 24 Sozialgesetzbuch VIII um folgenden Absatz 4 ergänzt:

 

„Ein Kind, das im Schuljahr 2026/2027 oder in den folgenden Schuljahren die erstKlassenstufe besucht, hat ab dem Schuleintritt bis zum Beginn der fünften Klassenstufe einen Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. […]“

 

Damit sind Kommunen ab dem 1. August 2026 verpflichtet, rechtzeitig und bedarfsgerecht Plätze in einer Tageseinrichtungen bereitzustellen – nicht nur für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt, sondern darüber hinaus auch für Grundschüler bis zum Eintritt in die 5. Klasse. Sie tragen die Planungs- und davon abgeleitet auch die Finanzierungsverantwortung für die erforderlichen Betreuungsangebote.

 

Welche Ziele verfolgt der Gesetzgeber?

 

Ziel: Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Mit einem verlässlichen Betreuungssystem gibt es zukünftig für Eltern mehr Planbarkeit. Eine Pflicht, das Angebot anzunehmen, gibt es nicht. Der Rechtsanspruch gilt für mindestens acht Stunden lang werktags in den vier Grundschuljahren – und mit höchstens vier Wochen Schließzeit. Betreuung findet somit auch in den Ferien statt.

 

Ziel: Chancengleichheit für Kinder

Kinder profitieren von Bildungsangeboten am Nachmittag und individueller Förderung über den Unterricht hinaus. Der Bildungserfolg könne somit unabhängiger von der sozialen Herkunft gemacht werden. Bessere Bildungs- und Teilhabechancen verbesserten somit die Chancengleichheit.

 

Bedarfsplanung: Es gibt doch schon Ganztagsbetreuungplätze an der Grund- und Mittelschule Ebermannstadt. Warum jetzt noch mehr?

 

Eine belastbare Bedarfsplanung ist Voraussetzung dafür, passgenaue Angebote schaffen zu können und dabei einen effizienten Einsatz der kommunalen Haushalts- und staatlichen Fördermittel zu gewährleisten.

 

Ein vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales beauftragte wissenschaftliche Studie stellt fest, dass 6 von 10 Grundschulkindern (61%) in Bayern im Frühjahr 2023 ein (ganztägiges) Betreuungsangebot wahrgenommen haben.

 

Zwei Drittel (67 %) der Eltern von Grundschulkindern in Вayern äußerten im Frühjahr 2023 einen Вetreuungsbedarf für ihr Kind. Darunter befanden sich fünf Prozent, die nicht über einen Вetreuungsplatz für ihr Kind verfügten, obwohl sie einen solchen wünschten. Weitere sechs Prozent verfügten zwar über einen Platz. Dieser deckte jedoch nicht den gewünschten Вetreuungsumfang ab.

 

Mit Schaffung des Rechtsanspruchs gehen Fachleute davon aus, dass die Betreuungsquote auf 80% steigen wird (vgl. hierzu auch die Entwicklung im Bereich der Kinderkrippen ab 2013).

 

An der Grund- und Mittelschule werden aktuell 108 der 257 Grundschüler (42%) betreut. Der Bedarf ist höher, kann aber aufgrund der Platzkapazitäten nicht gedeckt werden.

 

Chance für Schulentwicklung: Welche Organisationsform erfüllt den Rechtsanspruch?

 

Für Schulkinder in Bayern gibt es vielfältige Angebote einer ganztägigen Bildung, Erziehung und Betreuung. Für Kinder im Grundschulalter sind dies vor allem:

 

  • die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe, wie z.B. der Hort, das Haus für Kinder,
  • der altersgeöffnete Kindergarten und die Tagespflege,
  • die schulischen Angebote, wie die offene und gebundene Ganztagsschule und
  • unter Schulaufsicht die Mittagsbetreuung.

 

Kooperationseinrichtungen (der sogenannte „Kooperative Ganztag“), bei denen Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte eng zusammenarbeiten, sind für Grundschulkinder besonders geeignet.

 

Die Kommunen haben volle Flexibilität: Sie können frei entscheiden, welches Angebot aus diesem Werkzeugkasten sie schaffen, und eine entsprechende Förderung beim Freistaat beantragen.

 

Wie kann die Grund- und Mittelschule konkret vom Ganztagsausbau profitieren?

 

Seit Jahren ist das Raumangebot an der Grund- und Mittelschule Ebermannstadt für die vielfältige Nutzung durch die Schulfamilie (klassischer Schulbetrieb, Schülerzentrum mit Mittagsbetreuung und Offener Ganztagsschule, Musikschule) nicht ausreichend.

 

Nachdem der Schulverband mit Blick auf das Ganztagsfördergesetz sowieso tätig werden muss, könnten zugleich auch die Bedürfnisse der Mittelschule gedeckt werden. Zumal davon ausgegangen werden kann, dass der Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung zukünftig sich auf die Klassenstufen 5 und 6 erstrecken wird.     

 

Mit den zur Verfügung gestellten Fördermitteln kann eine längst fällige Umgestaltung der Schule in Angriff genommen werden, um damit den veränderten Anforderungen an einen Ort gerecht zu werden, der neben Bildung verstärkt auch eine Erziehungs- und Betreuungsfunktion zu übernehmen hat.

 

Wie soll das finanziert werden?

 

Der Freistaat Bayern gewährt im Rahmen eines Sonderprogramms nach Maßgabe der „Richtlinie zur Förderung von Investitionen zum Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ vom 23. August 2023 Zuwendungen zu Investitionen zur Schaffung zusätzlicher ganztägiger Betreuungsplätze für Kinder im Grundschulalter. Förderanträge nach dieser Richtlinie können bei der Regierung von Oberfranken gestellt werden.

 

Die reguläre Förderung von Investitionen in Kindertageseinrichtungen und Schulen im Rahmen der bayerischen Förderprogramme (BayFAG) sind weiterhin möglich, das Landesförderprogramm setzt grundsätzlich hierauf auf.

 

In Ergänzung zur Grundförderung (BayFAG) wird eine Pauschale pro zusätzlich geschaffenem Betreuungsplatz gewährt. Die Höhe der Pro-Platz-Pauschale ist abhängig von der Angebotsform und beträgt:

 

·         bis zu 4.500 Euro für jeden zusätzlich geschaffenen rechtsanspruchserfüllenden Platz in einem Angebot unter Schulaufsicht (offener/gebundener Ganztag oder Mittagsbetreuung) und in Kombieinrichtungen des Kooperativen Ganztags.

·         bis zu 6.000 Euro für jeden zusätzlich geschaffenen rechtsanspruchserfüllenden Platz in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe (Horte, Häuser für Kinder etc.) sowie in Heilpädagogischen Tagesstätten der Jugend- oder Eingliederungshilfe

 

Wie lief der bisherige Abstimmungsprozess zum Ganztagsausbau in Ebermannstadt?

 

Am 31. Mai 2022 wurde die Schulverbandsversammlung über folgendes informiert:

 

„Ab August 2026 sollen zunächst alle Grundschulkinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch erhalten, ganztägig gefördert zu werden. Der Anspruch wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet. Damit hat ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen eins bis vier einen Anspruch auf ganztägige Betreuung.

 

Den erforderlichen Ganztagsausbau unterstützt der Bund mit Finanzhilfen in Höhe von bis zu 3,5 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur. Auch an den laufenden Kosten wird sich der Bund beteiligen und damit die Länder dauerhaft unterstützen. Die Mittel wachsen ab 2026 jährlich an bis hin zu 1,3 Milliarden Euro pro Jahr ab 2030.

 

„Vor diesem Hintergrund sollte der Schulträger (Schulverband) in Abstimmung mit der Schule und weiteren Beteiligten baldmöglichst einen Lösungsvorschlag erarbeiten, der sowohl dem steigenden Betreuungsbedarf und Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung Rechnung trägt, aber auch die finanziellen und personellen Ressourcen der Kommunen nicht übersteigt.“

 

Vor diesem Hintergrund beauftragte die Verwaltung in Abstimmung mit der Schulleitung Herrn Koller, den ehemaligen Schulamtsdirektor und Initiator der Bildungslandschaft im Landkreis Forcheim mit der Moderation des Beteiligungsprozesses.

 

Sachverhalt im Sitzungsverlauf:

Der Geschäftsstellenleiter führ in den Sachverhalt ein.

 

Die Vorsitzende begrüßt daraufhin Herrn Gerhard Koller (Schulamtsdirektor a. D.)

Herr Koller informiert das Gremium anhand einer Präsentation über die Ganztagsbetreuung im Allgemeinen sowie die Konsequenzen für die Grund- und Mittelschule. Die Präsentation ist Bestandteil der Niederschrift.

 

Die Schulleitung beschreibt im weiteren Sitzungsverlauf die Veränderungen im schulischen Alltag in jüngerer Vergangenheit und die damit verbundene Notwendigkeit, bestehende Strukturen aufzubrechen und umzugestalten.

 

Ein Verbandsrat weist daraufhin, dass er über eine eigene Grundschule in seiner Gemeinde verfügt und die vorgeschlagenen Maßnahmen aufgrund des aktuellen Rechtsanspruches ausschließlich Grundschüler betreffen. Dies müsse insbesondere bei der Finanzierung berücksichtigt werden.

 

Antwort Geschäftsstellenleiter: Hier könnte das gleiche Vorgehen wie im Fall der Mittagbetreuung greifen. Abgesehen vom Rechtsanspruch für Grundschüler besteht auch aufgrund der nicht ausreichenden Räumlichkeiten schon jetzt ein Handlungsdruck, der nicht nur die Grundschüler betrifft. Zudem werden von der vorgeschlagenen Entwicklung auch Mittelschüler profitieren. Es sollen Synergien zwischen Grund- und Mittelschule genutzt werden. Sobald das Konzept zur Ganztagsbetreuung vorliegt, kann anhand der konkret geplanten Nutzung ein Vorschlag zur Beteiligung der Schulverbandsgemeinden an der Gesamtfinanzierung vorgelegt werden. 

 

Antwort Schulleitung: Eine konzeptionelle Trennung zwischen beiden Schulformen ist nicht vorgesehen. Die Raumknappheit ergibt sich im Moment in erster Linie für die Mittelschüler.

 

Beschluss:

Die Schulverbandsversammlung beschließt die Schaffung zusätzlicher Plätze in ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder im Grundschulalter.

 

Der Ausbau soll stufenweise bis einschließlich 31.12.2027 und unter maximaler Ausnutzung der Förderung durch den Freistaat Bayern erfolgen.

 

Grundlage für die weitere Planung bildet ein Konzept. Wesentliche Bestandteile bilden Festlegungen zur Pädagogik, zur Organisationsform, zum Platz-, Personal-, Raum- und Ausstattungsbedarf, zur Finanzierung und zur zeitlichen Umsetzung. 

 

Der bedarfsgerechte Ausbau erfolgt unter der Annahme, dass zukünftig die ganztägige Betreuung von Kindern im Grundschulalter ausschließlich unter einem gemeinsamen Dach, nämlich an der Grund- und Mittelschule erfolgt.

 

Im Interesse eines ressourcenschonenden Umgangs werden die vorhandenen Räumlichkeiten optimiert und einer multifunktionalen Nutzung zugeführt. Die Planung von Neu- und Anbauten sollen auf das Notwendigste begrenzt werden.

 

Im Rahmen der Konzepterstellung ist die Schulfamilie (u. a. die Schulleitung, das Lehrerkollegium, das pädagogische Personal des Schülerzentrums, die Eltern) in einem angemessenen Umfang zu beteiligen.

 

Die Verwaltung wird beauftragt in Abstimmung mit dem Fördergeber und unter Beachtung dieses Beschlusses ein solches Konzept zu erstellen und der Schulverbandsversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen.


Abstimmungsergebnis: 9 : 0